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Abschalttraining - Von Aufregung zu Entspannung

Annika Naujock • 14. Januar 2024

"Abschalten" - Von Aufregung zu Entspannung

“Abschalten” bedeutet, dass dein Hund lernt, in Situationen oder mit Umweltreizen, die für ihn normalerweise aufregend wären oder in denen er eine erhöhte Erwartungshaltung hat, zur Ruhe zu kommen. Abschalttraining gibt es in verschiedenen Formen, je nachdem, welches Ziel man damit verfolgt und was die Ursachen sind, warum man Abschalttraining macht. 


Im Allgemeinen sind die Ziele vom Abschalttraining, 

  • dass dein Hund sich an Umweltreize gewöhnt und diese möglichst als neutral wahrnehmen und abspeichern kann, 
  • dass dein Hund Vertrauen in dich gewinnt und 
  • dass er dir die Verantwortung für die Situation überlässt und keinen eigenen Handlungsbedarf mehr sieht. 


Die Situation und die darin enthaltenen Umweltreize sollen im positiven Sinne langweilig werden, damit dein Hund in Zukunft entspannter in diesen Situationen sein kann.


Allen Formen des Abschalttrainings gemein ist, dass dein Hund passiv bleibt, während du selbst entweder Entspannung vorlebst oder gezielt die Umwelt veränderst oder beeinflusst. 


Je nach Kontext und Ziel und den Emotionen, die deinen Hund in dieser Situation bewegen, solltest du die Rahmenbedingungen des Abschalttrainings anders gestalten und kannst den Schwierigkeitsgrad schrittweise anpassen.


Warum Abschalttraining?


Du möchtest mit deinem Hund einen Ausflug machen und schon beim Anziehen der Jacke und Anlegen des Halsbandes springt dein Hund um dich herum? Ihr fahrt mit dem Auto los und beim Öffnen des Kofferraums möchte dein Hund direkt rausspringen? Nach dem Aussteigen im Wald nimmt dein Hund sofort Fahrt auf, zieht an der Leine und hat jeden Außenreiz im Blick? 


Ihr geht an einer Baustelle vorbei und dein Hund klemmt die Rute sofort ein oder bellt die Bauarbeiter an? Bei scheppernden Einkaufswagen macht dein Hund einen Satz zurück? 

Oder dein Hund ist kaum zu bremsen, wenn er den Nachbarsrüden erblickt?


Dies sind Beispiele für Situationen, für die Abschalttraining sinnvoll sein kann. Für Hunde sind solche Situationen sehr oft mit hoher Erwartung und Aufregung verbunden und nicht selten haben Hunde (insbesondere aus dem Tierschutz) in ihrer sensiblen Phase zu wenig kennengelernt und mit (Teil-)Deprivationsschäden oder Unsicherheit zu kämpfen. 


Es ist logisch, dass Aufregung entsteht, wenn Orte, Personen oder Situationen immer mit Aktion verbunden sind. Aufregung bzw. die Erwartungshaltung kann von Freude, von negativen Erwartungen oder auch von Unsicherheit geprägt sein, aber in allen Fällen ist sie das Gegenteil von Entspannung. Bei Unsicherheiten mit Umweltreizen ist es für einige Hunde oft schon zu viel, sich in dieser Umgebung zu bewegen, da dann immer wieder neue Reize da sind, denen der Hund direkt ausgesetzt ist - was wiederum zu Aufregung oder negativen Emotionen führt. 


Da Hunde soziallebende Säugetiere sind und ebenfalls ein Bedürfnis nach Sicherheit haben, übernehmen sie nicht selten die Verantwortung für eben diese und versuchen sich um die Außenreize zu “kümmern”, wenn ihr Mensch ihnen diese Verantwortung nicht offensichtlich abnimmt. 


Die Aufregung und Erwartungshaltung sind daher für den Hund oft mit Stress und Verantwortung verbunden und es ist deshalb sinnvoll, Ruhe in alltägliche Situationen zu bringen, auch in von Vorfreude geprägte Momente. Denn wenn ein Hund sich in positiven Emotionen nicht beherrschen kann, wie soll er es in negativen Emotionen schaffen?

Für Hunde ist es also wichtig, in aufregenden oder für den Hund neuen Situationen Ruhe zu finden und sich zurückzunehmen. Hier kommt das Abschalttraining ins Spiel.


Wie geht Abschalttraining?


Beim Abschalttraining begibst du dich bewusst mit deinem Hund in aufregende Situationen oder an für ihn aufregende Orte und zeigst dort Ruhe, bis dein Hund sich entspannen kann.


Das kann zum Beispiel auf einem Waldparkplatz sein, wo dein Hund normalerweise in den Jagdmodus verfällt oder in Aufregung gerät, wenn er die anderen Hunde sieht. Das kann auch der Parkplatz vorm Futterhaus sein oder ein Treffen mit einem anderen Hund. Hat dein Probleme mit Menschen, könnte das auch mal ein Supermarktparkplatz oder Ähnliches sein - die Möglichkeiten sind hier vielfältig.


Je nach Ziel und Emotionen bei deinem Hund kannst du die Rahmenbedingungen variieren und den Schwierigkeitsgrad anpassen. In vielen Fällen ist es sinnvoll, den Hund anfangs in einer Box im Auto (sofern er sich dort sicher fühlt), mit geöffneter Kofferraumklappe, die Außenreize beobachten zu lassen. So kann er die Reize aufnehmen, ohne selbst aktiv werden zu können. Du kannst dabei vor dem Kofferraum sitzen, Entspannung vorleben, anstatt deinen Hund an der Leine zu kontrollieren. 

Sicherheit gewährleisten und selbst entspannt sein

Vor allem ist also wichtig, dass dein Hund passiv sein kann, während du selbst entweder Entspannung vorlebst oder gezielt die Umwelt beeinflusst, um deinem Hund zu zeigen, dass du seine Sorgen verstehst, aber bestens mit dem Umweltreizen zurecht kommst und auch die Verantwortung dafür übernimmst, ohne dass er sich einmischen muss. 


Wichtig beim Abschalten ist außerdem, dass du die
Sicherheit deines Hundes gewährleistest. Achte darauf, dass er nicht von anderen Menschen oder Hunden bedrängt wird, und behalte die Außenreize im Blick, damit dein Hund spürt, dass er nicht selbst wachsam bleiben muss. Schau deinen Hund nicht an, sondern positioniere dich als Puffer zwischen ihm und den Außenreizen und beobachte entspannt deine Umgebung. 


Wenn Dinge auftauchen, die deinen Hund eventuell verunsichern und auf die er reagiert, solltest du aktiv werden und
dich mit ruhigen Emotionen um diese Außenreize kümmern. Übernimm die Verantwortung und handle souverän und entspannt, um die Kontrolle über die Situation zu behalten. Dein Hund wird verstehen, dass er sich zurücknehmen kann, weil du die Verantwortung übernimmst.


Schrittweise vorgehen

Wähle die Situationen so, dass dein Hund anfangs zwar noch aufgeregt sein mag, sich aber nach einiger Zeit immer noch entspannen kann. Das muss nicht innerhalb von Minuten passieren, es kann auch eine Stunde oder länger dauern. Manchmal stellt sich richtige Ruhe auch erst nach mehreren Wiederholungen ein. Wenn du gar keine positive Veränderung bemerkst, sondern dein Hund sich eher weiter in Aufregung steigert, brich für diesen Tag ab und wähle beim nächsten Mal einen ruhigeren Ort oder eine größere Distanz zum auslösenden Reiz. Wenn dein Hund von Anfang an schon in den Schlafmodus fällt, kannst du beim nächsten Mal mehr Reize anstreben oder die Distanz zum Auslösereiz verringern.


Keine Kommandos oder Belohnung 

Bitte gib deinem Hund keine Kommandos wie “Platz”, “Aus” oder “Bleib”, da du ihm dadurch ein Verhalten auferlegen würdest, was nicht unbedingt seiner inneren Haltung entspricht. Du nimmst ihm damit die Möglichkeit zu lernen, sich selbst zu regulieren und zu echter Entspannung zu kommen und dir selbst die Möglichkeit zu erkennen, wann dein Hund wirklich zur Ruhe kommt und was ggf. noch zu viel ist. Die Körperhaltung des Hundes (gehen, stehen, sitzen, liegen) ist dabei ein Barometer für seinen Entspannungsgrad. Wenn er sich von selbst hinsetzt oder hinlegt, ist das ein Zeichen dafür, dass er sich entspannen kann. Bleibt er aufgeregt, überlege, warum er sich nicht beruhigen kann – vielleicht ist der Reiz noch zu nah, er braucht eine Pause oder du signalisierst ihm unbewusst Handlungsbedarf.


Du musst deinen Hund übrigens auch nicht dafür belohnen, dass er zur Ruhe kommt, denn die Entspannung selbst ist für ihn schon belohnend. Eine zusätzliche Belohnung würde nur eine neue Erwartungshaltung schaffen, die deinem Ziel entgegenwirkt. Am besten entspannt sich der Hund, wenn seine Grundbedürfnisse bereits befriedigt wurden – er sich gelöst hat, positive Erlebnisse mit dir hatte, satt ist und in Stimmung für ein Schläfchen ist.


Mögliche Alternativen und Ausbauschritte

Ausbauschritte oder Alternativen könnten sein, dass dein Hund angeleint vor dem geöffneten Kofferraum liegt, sodass er sich zurückziehen kann, wenn er mehr Ruhe braucht. Alternativ kannst du auch einen Fahrradanhänger als sicheren Rückzugsort wählen oder den Hund je nach Größe, Alter und Motivation auf dem Schoß halten. 

Wenn das gut klappt, kannst du während eurer Ausflüge Pausen einlegen und Ruhephasen an aufregenden Orten einbauen oder Abschalten im Stehen oder Gehen ausprobieren. Das bedeutet, dass du dir einen Ort oder eine kurze Strecke aussuchst, die du dann immer wieder auf- und abgehst, bis der Hund alle Reize in Ruhe aufnehmen und verarbeiten konnte, sein Fokus sich dir zuwendet und Entspannung einkehrt.

Abschalten geht übrigens auch mit Reizen, die zuhause normalerweise für Aufregung sorgen, z.B. beim Begrüßen von Besuch. Hier kannst du bspw. ein Kindergitter zwischen Wohnzimmer und Flur nutzen, damit dein Hund beobachten kann, wie du ganz entspannt den Besuch begrüßt und dabei souverän bleiben kannst, ohne dass du deinen Hund zurückhalten musst.

Individuell vorgehen

Wie alles in der Hundeerziehung sollte auch das Abschalttraining individuell an deinen Hund, an seine (und deine) Probleme und seine Persönlichkeit angepasst werden. Gerne unterstütze ich dich dabei, den für euch richtigen Weg zu finden!

Hund, der sich an einen Futterbeutel anschleicht
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Artgerechte Beschäftigung ist nicht optional
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Silvester steht vor der Tür! Für viele Menschen bedeutet das ausgelassenes Feiern, Tanzen und Knallen. Für viele Hunde (und auch andere Tiere) bedeutet das Angst. Gehört dein Hund auch dazu? Dann ist dieser Blogartikel für dich! Angst, und so auch Angst bzw. Furcht vor Geräuschen und Dingen wie Feuerwerk, ist ein komplexes Thema, das nicht so einfach in einem Blogartikel abzuhandeln ist. Dieser Beitrag soll dir daher “nur” ein paar Tipps geben, wie du dich und deinen Hund in den nächsten 2 Monaten noch auf Silvester vorbereiten kannst, wie ihr gut durch die Silvestertage kommt und was du für nächstes Jahr in Betracht ziehen kannst, um deinen Hund noch besser zu unterstützen.
Bild zu Pubertät, zeigt zwei laufende Hunde
27. August 2023
Die Pubertät ist eine Lebensphase, die alle Säugetiere durchlaufen (und sogar auch Vögel), um erwachsen zu werden. Grundsätzlich beginnt die Pubertät bei Hündinnen mit Eintritt der ersten Läufigkeit und bei Rüden mit dem Heben des Beins beim Markieren (wobei dies nicht alle Rüden tun - wenn sie in einer Kind-Rolle verbleiben und es keine Notwendigkeit zum Markieren gibt, bleibt das Hebens des Beins auch manchmal aus). Zeitlich gesehen ist dies oft zwischen 6 und 12 Monaten, doch gibt es hier enorme rassebedingte und individuelle Unterschiede. Die Späterscheinungen der Pubertät nennt man Adoleszenz und stellt die Phase des Erwachsenwerdens dar. Während die eigentliche Pubertät meist nur wenige Monate dauert, kann die Adoleszenz rasseabhängig mehrere Jahre dauern. Die Übergange dieser beiden Phasen sind fließend. Sie werden daher hier zusammengefasst. Erst nach der Adoleszenz-Phase ist ein Hund nicht nur geschlechtsreif, sondern auch physisch und psychisch erwachsen. Dies kann je nach Rasse erst mit 2-4 Jahre sein. Stimmungsschwankungen und emotionale Instabilität sind wichtige Erkennungszeichen für die beginnende Pubertät und wer schon mal einen pubertierenden Hund hatte, kennt es: Er kann ziemlich verhaltensoriginell werden. Es wirkt, als hätte er auf einmal alles vergessen, was er bereits gelernt hatte. Die Ohren stellen auf Durchzug, auf einmal jagt der eben noch so süße Welpe wie eine Furie einem Fahrrad hinterher, pöbelt plötzlich seinen besten Freund an, oder hat Angst vor der Mülltonne, die schon immer an derselben Stelle steht. Doch warum ist das so? Abnabelungsprozess und Komplettierung der Sozialisation Mit Eintritt in die Pubertät beginnt biologisch gesehen die hormonelle Reifung, die Geschlechtsreife und damit auch ein Abnabelungsprozess und eine Selbstfindungsphase. Die Sexualität gewinnt an Bedeutung und tritt als entscheidender Faktor ins Leben deines Hundes. Damit gewinnt meist auch der Territorialinstinkt (siehe auch Artikel zu den Instinkten des Hundes) an Bedeutung, da nun auch potentielle Partner*innen und Welpen Schutz brauchen und das Revier sowie Ressourcen in diesem Revier noch wichtiger werden: Dein Hund nimmt Sicherheit ab sofort noch ernster und geschlechtsgleiche Artgenossen können von nun als Konkurrenten gesehen werden. Nach der Pubertät entscheidet sich außerdem, ob das Tier seine soziale Gruppe/Familie verlässt (abwandert) und eine eigene Familie gründet oder ob es in der Gruppe bleibt und für die Arterhaltung sorgt, indem es andere Aufgaben für die Gruppe übernimmt, sich beispielsweise an der Aufzucht verwandter Tiere beteiligt. Das heißt die Pubertät ist der Zeitrahmen, in dem der Hund das bisher Gelernte und die eigenen Lebensumstände nochmal auf ihre Tauglichkeit überprüfen kann und entscheidet ob er sich endgültig in die Gruppe einfügt oder nicht. Ob ein Hund abwandern will oder nicht, ist von verschiedenen Faktoren abhängig: dem Autonomieanspruch des Hundes, der zu einer Überdrussreaktion führt, wenn “die bisherigen Lebensverhältnisse zu eng oder zu langweilig erscheinen” (Gansloßer, 2020) und von seinem Sicherheitsbedürfnis. Von seiner Risikofreude und auch von seinen sozialen Kontakten, seiner Integration in die Gruppe, seiner sozialen Stellung und dem, was sein aktuelles Umfeld ihm zu bieten hat. Für diesen Abnabelungsprozess muss der Hund außerdem selbstständiger werden und Risiken eingehen. Abnabelung bedeutet jedoch auch Stress , denn er muss auf eigenen Beinen stehen und muss auf viel mehr achten. Die Pubertät ist daher oft ein Spannungsverhältnis zwischen Übermut und Unsicherheit : So kann es sein, dass dein Hund morgens noch übermutig über Baumstämme und Gräben springt und sich auf dem Nachhauseweg vor der Mülltonne erschreckt als wäre sie ein Monster. Daher braucht dein Hund gerade in dieser Zeit deine sichere Führung und wohlwollende Unterstützung, um die Welt mit diesem neuen Blickwinkel ohne Angst wahrnehmen zu können und mit Stress besser umgehen zu können. Die Pubertät ist außerdem quasi die komplettierende Phase der Sozialisation , in der es auch darum geht, den jungen Hund “auf Dauer in den elterlichen Sozialverband zu integrieren” (Gansloßer/Kitchenham, 2015). Die Integration in den Sozialverband bedeutet auch, die sozialen Regeln, Leitplanken und Richtlinien kennenzulernen. Und dies kann man nur, indem man sie austestet und auch mal überschreitet und lernt, was dann passiert. Das Pubertätsgehirn - Achtung Umbaumaßnahmen Die Pubertät beginnt mit der Ausschüttung des Hormons GnRH (Gonadotropin Releasing Hormone), welches wiederum zu einem Anstieg der Sexualhormone und verschiedener anderer Hormone und Botenstoffe führt. Dieser Cocktail aus Hormonen ist ursächlich für Veränderungen des Verhaltens und auch für die körperliche Reifung. Zur körperlichen Reifung gehört dabei nicht nur die Reifung des Gehirns, sondern bspw. auch die Zunahme der Muskelzellen, Verstärkung der Bänder und Sehnen und das Schließen der Wachstumsfuge, welche das Längenwachstum der Knochen beendet - der Hund hört auf zu wachsen. Mit der Reifung des Gehirns beginnen wichtige Umbaumaßnahmen , die auch erklären, warum unsere Jungspunde oft von Stimmungsschwankungen geplagt werden, sich schlecht konzentrieren können, wenig Impulskontrolle haben und manchmal wirken, als hätten sie alles vergessen. Während der Umbaumaßnahmen passiert folgendes: Grob gesagt, werden dabei zunächst wenig verwendete Nervenverknüpfungen gelockert oder gelöst und viel genutzte Nervenverknüpfungen ausgebaut . Beim Menschen werden in der Pubertät durchschnittlich 30 000 solcher Verknüpfungen abgebaut. Gleichzeitig werden die einzelnen Nervenzellen aber größer und die Weiterleitung der Daten wird verbessert: Für den Ausbau werden die Teile einer Nervenzelle, die für die Weiterleitung von Reizen da sind, die Axone, nach und nach umhüllt von einer weiß erscheinenden Isolierschicht, die Myelinscheide. Die Myelinscheide sorgt dafür, dass die Nervenleitgeschwindigkeit verbessert wird, also mehr Informationen schneller von einer zur anderen Nervenzelle übertragen werden können und es zu weniger Fehlern kommt. Nach der Pubertät ist diese Myelinisierung abgeschlossen, was aber nicht bedeutet, dass der Hund nichts mehr lernen kann, denn das funktioniert zum Glück ein Hundeleben lang. Das heißt, du solltest in der Pubertät alles wiederholen, was ihr aufgebaut habt und was für das spätere Leben deines Hundes nochmal wichtig sein wird , damit diese Stränge ausgebaut werden. Alles was dein Hund in der Pubertät nicht mehr braucht, kommt quasi in den Müll und wird tatsächlich vergessen. So wird beim Menschen ca. 15% der Hirnmasse während der Pubertät abgebaut. Beim Hund wird es ähnlich sein. Dabei ist darauf zu achten, dass es hier nicht um Tricks oder einstudierte Trainingsziele geht, sondern vor allem um Erfahrungen, in denen sich dein Hund selbst kompetent fühlen kann und um Erfahren, die ihn emotional catchen . Denn nur dann, werden die emotionalen Zentren im Gehirn aktiviert, nervenformende Botenstoffe freigesetzt und somit Nervenverknüpfungen gestartet. Die verschiedenen Regionen im Gehirn reifen zu verschiedenen Zeiten: Erst die motorischen und prämotorischen Areale, die für Planung und Steuerung von komplexen Bewegungen zuständig sind - die Schlaksigkeit von pubertierenden Hunden kommt dann, wenn diese Bereiche reifen. Dann reifen jene Bereiche des Frontalhirns, die für Entscheidungen treffen, Impulskontrolle, Erregung und für die Hemmung von Gefühlen zuständig sind sowie an der Aufmerksamkeitssteuerung beteiligt sind - Gefühlsausbrüche, Unberechenbarkeit, Konzentrationsprobleme, riskantes Verhalten und Interesse an aufregenden Erfahrungen sind hier keine Seltenheit. Zum Schluss reifen noch die Bereiche des Frontalhirns, die für die Steuerung von Sozialverhalten und Empathie zuständig sind - Sieh es deinem Hund also nach, wenn er sich nicht in dich hineinversetzen kann und Regeln ständig hinterfragt. Während die Nervenzellen eines Funktionskreislaufes myelinisiert werden, funktioniert dieser Bereich jedoch nicht mehr richtig: Als wenn jemand noch keine Glasfaserkabeln eingezogen hat, aber die Kupferdrähte schon entfernt wurden. Dies führt zu den typischen “Ausfällen”, zu Konzentrationsschwäche und Vergesslichkeit. Neben dem Ausbau der Nervenleitbahnen wird das Gehirn und die Aufgabenbereiche verschiedener Teile des Gehirns während der Pubertät umstrukturiert und spezialisiert. Zu den Verlierern von Aufgaben zählt hier vor allem der Mandelkern , die Amygdala, die als emotionales Bewertungszentrum im limbischen System fungiert. Durch abnehmende Rezeptordichte und teilweise sogar weniger Nervenzellen und gleichzeitigem Aufbau von Fasern nach “oben”, wird die Amygdala nach der Pubertät unter Kontrolle der Großhirnrinde (besonders dem Frontallappen) gestellt. Die Aufgaben der Großhirnrinde nehmen also zu und sind meist hemmender Natur. Der Frontallappen ist u.a. für die Hemmung von Impulsen, für Sozialkompetenz, soziales Beziehungsverhalten und Konzentrationsfähigkeit zuständig. Die emotionale Kontrolle und auch die Empathie, die vor der Pubertät vorwiegend in der Amygdala verantwortet werden, werden nach der Pubertät also in die Großhirnrinde verlegt. Da jedoch auch diese Umbaumaßnahmen alle im laufenden Betrieb stattfinden, kommt es während der Pubertät insbesondere in den Bereichen des Frontalhirns, also in Bereichen der Impulskontrolle, Empathiefähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und der Kontrolle der eigenen Emotionen zu Defiziten . Denn wenn die Amygdala die Aufgaben schon abgegeben hat, aber das Großhirn noch nicht fertig mit den Verbindungen ist, kann diese Aufgaben eben niemand machen. Das Pubertier kann sich also nicht entscheiden, wie es sich gerade selbst fühlt und auch nicht mehr intuitiv erkennen, wie es dem anderen gerade geht. Dazu kommt, dass sich während der Pubertät die Amygdala zeitweise vergrößert und intensiver und empfindlicher auf Reize aus der Umwelt reagiert - das heißt dein Hund wird emotionaler reagieren, was leider auch ein guter Nährboden für Aggression ist. Auf der Ebene der Botenstoffe spielt Dopamin ("Selbstbelohnungsdroge") eine entscheidende Rolle : Das Dopamin sorgt im Prinzip dafür, dass ein Impuls in eine Handlung umgesetzt wird. Nun ist gerade dieses dopaminerge System während der Pubertät besonders stark ausgeprägt und wegen der selbstbelohnenden Wirkung, sind Junghunde immer auf der Suche nach Stimulation dieses Systems - quasi auf der Suche nach dem Dopamin-Kick. Dies sorgt auch dafür, dass sich der Radius deines Hundes und sein Erkundungsdrang vergrößert. Da wir nun ja auch schon wissen, dass gerade der hemmende Bereich des Gehirns, das Frontalhirn, während der Pubertät auch noch stark beeinträchtigt ist, können wir die erhöhte Risikobereitschaft (die ja auch biologisch Sinn ergibt, wenn man sich von der Familie abnabeln muss) von unseren Jungspunden vielleicht etwas besser nachvollziehen. Doch auch das Stresslevel ist während der Pubertät und der Adoleszenz höher , da auch die Aktivität der Nebennierenrinde, die das Stresshormon Cortisol produziert, erhöht ist. Außerdem wird vermehrt Prolaktin (das Elternhormon) ausgeschüttet. Dieser ganze Hormoncocktail aus Sexualhormonen, Stresshormonen, Prolaktin und dem Nervenwachstumsfaktor kann für eine Achterbahn der Gefühle sorgen. Doch ein Lichtblick ist, dass all das nur vorübergehend so ist. So kommen auch die Fähigkeiten zur Problemlösefähigkeit und zum konzentrierten Arbeiten nach der Pubertät gestärkt hervor , sofern sie auch gefordert werden. “Es kommt zu einer Entkopplung von Emotionen und Belohnung, da die Belohnungssysteme, deren Haupthormon das Dopamin ist, ebenfalls vom Mandelkern in die Hirnrinde verlagert werden” (Gansloßer, 2023, S. 224). Somit kann es nach der Pubertät auch Spaß machen, sich länger mit einer Aufgabe zu beschäftigen, auch wenn diese möglicherweise nicht sofort zu einem lustbetonten Ergebnis führt. Außerdem werden rationale Problemlösungen und gelöste Lernaufgaben nun positiver bewertet als noch vor der Pubertät, emotionale und unüberlegte Handlungen werden etwas weniger häufig auftreten. Insgesamt besteht aber die Chance, nach der Pubertät bzw. der Adoleszenz etwas gelassener, überlegter und rationaler zu entscheiden , da die Exekutivfunktionen des Gehirns mit den Umbaumaßnahmen verbessert werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dem Pubertier beizubringen, dass Frust mal ausgehalten werden muss und bewältigt werden kann und dass eigene Motivationen auch mal kontrolliert werden müssen. Eine weitere wichtige Entwicklung im Gehirn während der Pubertät ist der Aufbau einer gewissen Energieeffizienz durch Spezialisierung . Während vor der Pubertät große Bereiche des Gehirns sehr viele Aufgaben hatten, werden nun die Zuständigkeiten “spezialisiert” und die Gehirnregionen übernehmen in kleineren, eng vernetzten Zellgruppen spezielle Aufgaben, was eine erhöhte Energieeffizienz mit sich bringt. Da auch die Leistungsfähigkeit des Mittelhirns zunimmt, ist die Lernfähigkeit von Hunden während der Pubertät auch besonders hoch. Ge rade in dieser Zeit solltest du deinem Hund Problemstellungen und Herausforderungen ermöglichen, die das eigene Nachdenken und die eigene Konzentrationsfähigkeit erhöhen. Denn Handlungen in belastenden Situationen, die aus einer aktiven Problemlösung heraus vollzogen werden, werden als besonders wiederholenswert abgespeichert. Dies gilt natürlich auch für Handlungen, die uns nicht so lieb sind ;) Und wie kommen wir da durch? Die Phase des Übens ist nun vorbei und mit der Pubertät beginnt auch der Ernst des Lebens. Am besten hast du bereits vor der Pubertät damit begonnen, für deinen Hund die Elternrolle zu übernehmen, ein Vorbild zu sein, für Struktur und Sicherheit zu sorgen und einen roten Faden in der Erziehung zu haben, sodass dieser in der Kind-Rolle bleiben kann. Ist dies nicht passiert, wirst du wahrscheinlich merken, dass dein Hund in seinem Verhalten nun auch ernster wird. Er wird mehr und mehr selbstständiger auf die Außenwelt reagieren und ggf zu einem Abnabelungsprozess tendieren. Wichtig ist dann, dass du deinen pubertierenden Hund davon überzeugst, dass du die Elternrolle einnehmen kannst. Es gibt auch beim Hund eine Phase, in der er zeigen will, dass er es besser weiß als “der/die Alte” und er deshalb deine Vorschläge ignoriert oder sogar versucht dir zu zeigen, wie du die Sozialstruktur besser sehen solltest. Er zeigt dir die Lücken auf und springt in die Lücken hinein. Er hinterfragt Regeln auf Verlässlichkeit und hinterfragt dich auf Zuverlässigkeit. Daher ist auch Konsequenz wichtig. Wichtige Grenzen und Regeln bleiben eben auch die Grenzen und Regeln , die sie vor der Pubertät waren und sollten auch eingehalten werden. Wichtig dabei ist jedoch, dass diese Regeln auch Sinn für deinen Hund ergeben. Ein Sitz einzufordern, weil “man das einfach gerade will” ist hier sicher die falsche Herangehensweise. Deinen Hund abwarten zu lassen, damit die Ersatzjagd losgeht und auf dieses Abwarten auch konsequent zu achten dagegen, macht für den Hund Sinn. Die Pubertät ist eine absolute Gratwanderung zwischen Konsequenz und auch mal “5e gerade sein lassen” . Lass dich nicht auf unnötige Konflikte ein, sondern bewahre deine Souveränität. Auf jede Provokation deines Hundes einzugehen wäre nicht souverän. Kreiere die Situationen stattdessen so, dass du gelassen sein kannst und “am längeren Hebel” sitzt. Gelassenheit ist hier der Schlüssel, denn jede Reaktion auf eine Provokation ist eine Bestätigung dieser. Das heißt nicht, dass du alles ignorieren solltest, was dein Hund sich in dieser Phase einfallen lässt! Dies kann im Gegenteil, wenn es längerfristig getan wird, sogar zu größeren Abwanderungstendenzen führen. Aber du solltest immer individuell abwägen, wo du nur den Kopf schüttelst und auch mal alle 5e gerade sein lässt und wo du auch mal etwas ausdiskutierst. Des Weiteren solltest du der Selbstständigkeit deines Hundes vorbeugen , denn wird dein Hund erstmal richtig selbstständig, wäre es auch nur konsequent ihn abwandern zu lassen. Dafür kannst du bspw. noch ein paar Ideen auf Lager haben, die du deinem Hund zeigen kannst und mit denen du ihn merken lassen kannst, dass du echt wichtig für ihn bist und ihm wertvolle Dinge beibringen kannst. So kannst du bspw. bei der Ersatzjagd den Futterbeutel vermehrt so platzieren, dass dein Hund deine Hilfe braucht oder du bietest neue spannende Beschäftigungsformen wie die systematische Hilfe an, bei der du als Strukturgeber*in fungierst. Außerdem solltest du aufhören, Dinge zu tun, die aus Sicht deines Hundes sinnlos sind. Doch die Pubertät bringt auch große Unsicherheiten mit sich: Um sein Selbstvertrauen zu fördern , kannst du daher auch Herausforderungen kreieren, die deinem Hund zwar einige Mühe kosten, aber schaffbar sind. So kann sein Selbstvertrauen wachsen und du fungierst gleichzeitig noch als Lehrmeistern*in. Sei für deinen Hund eine Unterstützung. Fördere die Großhirnrinde deines Hundes , indem zu ihm Möglichkeiten gibst, seine Konzentration zu verbessern, aktiv Probleme zu lösen (im positiven Sinne), aber du ihn auch mal Frust aushalten lässt und Situationen kreierst, in dem dein Hund seine Selbstbeherrschung üben kann. Und zu guter letzt: Hab Verständnis für deinen Hund . Sein Gehirn wird gerade umgebaut und funktioniert nicht richtig. Die Pubertät kann auch für deinen Hund eine Achterbahnfahrt der Gefühle sein. Und wenn dein Hund dich mal wieder zur Weißglut bringt, halte dir das vor Augen und sei deinem Hund insbesondere in dieser Phase eine emotionale Stütze und fang ihn immer wieder auf. Denn gerade weil dein Hund zurzeit seine Impulse und seine Gefühle nicht so richtig gut kontrollieren kann, braucht er jetzt einen sicheren sozialen Rahmen, in dem er seine Grenzen erleben und seine Hemmung trainieren kann. Wenn du mit Gelassenheit , einem roten Faden in der Erziehung, mit Souveränität und einem Funken Humor reagierst, kommt ihr da zusammen durch ;) Gern unterstütze ich dich dabei herauszufinden, wann du alle 5e gerade sein lassen solltest und wann du konsequent bleiben solltest und wie du deinen Hund durch diese spannende Entwicklungsphase manövrieren kannst. Sprich mich einfach an. Quellen: Dr. Udo Gansloßer (2020). Verhaltensbiologie für Hundetrainer, S. 364 ff. Dr. Udo Gansloßer / Kate Kitchenham (2015). Erziehung - Beziehung - Bindung, S. 150 ff. Dr. Udo Gansloßer (2023). Verhaltensphysiologie und -medizin, S. 222 ff. Robert Mehl (2021). Die Psyche des Hundes, S.74 ff. Jan Nijboer (2009). Vom Welpen zum Familienhund Sophie Strodtbeck, Uwe Borchert (2013). Hilfe, mein Hund ist in der Pubertät Bild von Alvan Nee von Unsplash: https://unsplash.com/de/@alvannee
von Annika Naujock 16. April 2023
Hunde sind soziale Beutegreifer. Auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass sie nicht zwangsweise im Rudel leben müssen, leben Hunde bei uns Menschen in einer sozialen Gruppe. 👥️🐶 Und auch frei lebende Straßenhunde leben meist in irgendeiner Art von sozialer Gruppe, denn sie gibt einem Individuum Sicherheit✔️, sie bietet bessere Chancen auf Nahrung 🍖 und das höchste Ziel, nämlich seine Gene weiterzugeben 👨‍👩‍👦, wird mit einer Gruppe wahrscheinlicher. ✅️ Eine Gruppe ist am erfolgreichsten, wenn jeder etwas dazu beiträgt und seine Talente einbringt.🌟 Außerdem ist es im Tierreich nicht selten, dass ein Individuum, das nichts zur Gruppe beiträgt oder sie dauernd in Gefahr bringt, ausgegrenzt ❌️ wird. Oder das ein Tier die Gruppe verlässt, weil es mit seinen Kompetenzen in ständiger Konkurrenz zu anderen steht. 🐶🚫 Das ist bei uns Menschen übrigens nicht anders, sobald es ums Überleben geht. Man stelle sich nur mal eine einsame Insel mit einer Gruppe Gestrandeten vor. Jeder will in dieser Situation etwas beitragen können...🏝 🏕 💀 So wollen auch Hunde etwas zur Gruppe beitragen, denn es sichert ihre Existenz. 👨‍👩‍👧‍👧🐶 Viele Hunde tragen aus ihrer Sicht in ihrer Gruppe die Verantwortung für Sicherheit, da es augenscheinlich sonst niemand tut 🦺: sie sind bspw. beim Spaziergang immer vorne, um sich um Gefahren zu kümmern oder verbellen Passanten oder Besucher. Viel besser wäre es, wenn wir als Menschen die Sicherheit übernehmen und unseren Hunden andere für sie sinnvolle Aufgaben geben: mittels Ersatzjagd 🏹 können Hunde bei der Nahrungsbeschaffung helfen! Dies ist für sie nachvollziehbar und sinnvoll. Außerdem können sie auch uns bei unseren Aufgaben helfen, z.B. Einkäufe 🛍 reinbringen, Wäsche 🧺 aufhängen oder sortieren, verloren gegangene Hausschuhe finden, den Autoschlüssel 🔑 bringen u.v.m. Im Video sieht man wie mein Hund schon am Auto darauf wartet, dass ich ihm etwas von den Einkäufen zum Tragen gebe 🥰 ➡️ Also: Integriert eure Hunde in euren Alltag und lasst sie etwas sinnvolles zu eurer Gruppe beitragen! 🐶❤️🧑‍🦱
von Annika Naujock 16. April 2023
Der Hund als sozialer Beutegreifer mit territorialen Ansprüchen
Artgerechte Hundeerziehung
von Annika Naujock 10. März 2023
Da jeder Hundemensch irgendwie etwas anderes unter "artgerechter Hundeerziehung" versteht, soll dieser Beitrag einmal erläutern, was ich darunter verstehe und warum ich es wichtig finde, nicht nur am Verhalten des Hundes etwas zu ändern, sondern ganzheitlich auf das Mensch-Hund-Team und seine Umwelt zu schauen. Fangen wir mit einer Definition zu “ Hundeerziehung” an: Das Wort “Erziehung” ist auf das althochdeutsche Wort “irziohan” (herausziehen) zurückzuführen und bedeutet “jemandes Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern”. Während es viele Definitionen von Erziehung gibt, so verstehe ich unter Hundeerziehung in Anlehnung an Klaus Hurrelmann: Erziehung ist die soziale Interaktion zwischen Hundehalter und Hund, bei der der Mensch planvoll und zielgerichtet versucht, bei seinem Hund unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und der persönlichen Eigenart des Hundes erwünschtes Verhalten zu entfalten oder zu stärken. Erziehung ist ein Bestandteil des umfassenden Sozialisationsprozesses ; der Bestandteil nämlich, bei dem von der Erzieherin versucht wird, bewusst in den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung von Hunden einzugreifen ‐ mit dem Ziel, sie zu selbstbewussten und sicheren Persönlichkeiten zu bilden, die i n unserer menschlich geprägten Gesellschaft bestmöglich klar kommen und mit dem Ziel eine sichere Bindung zwischen Hundehalterin und Hund zu kreieren. (angelehnt an Klaus Hurrelmann in: Mut zur demokratischen Erziehung, in: Pädagogik 7 bis 8/94, Seite 13) Anders als bei Kindern oder auch Hunden, die von ihren Hundemüttern erzogen werden, müssen Hunde sich als Erwachsene nicht selbstständig in der Gesellschaft zurechtfinden und sollten auch nicht zu selbstständig werden, da sie nicht abwandern können. Wenn wir den Hund zur Selbstständigkeit erziehen, wäre es auch nur fair, sie auch selbstständig entscheiden zu lassen. Und das wollen und können wir meist nicht, da es häufig den Hund und andere in Gefahr bringen kann. Ergo: Es ist dem Hund gegenüber nicht fair, ihn zur Selbstständigkeit zu erziehen. Dennoch sollten unsere Hunde aber bestmöglich in unserer Gesellschaft klarkommen, sich einfügen und dabei möglichst entspannt und erfüllt sein können, und zwar unter Berücksichtigung dessen, was der Hund an Persönlichkeit und Individualität mitbringt. Das ist nämlich dann Erziehung. Einige Hundeleute setzen Erziehung gleich mit etwas, was ich eher Training oder Dressur nennen würde und sind hauptsächlich damit beschäftigt, das Verhalten des Hundes durch Konditionierung zu ändern, ohne aber das große Ganze zu sehen. Ich sehe so: Wenn man nur Verhalten ändert, ist es wie nur das Ergebnis einer Gleichung auszuradieren. Die Gleichung stimmt dann nicht mehr. Um Verhalten nachhaltig zu verändern, muss man alle Faktoren der Gleichung betrachten und wie sich sich gegenseitig beeinflussen. Und diese Faktoren sind häufig eine Kombination aus Genetik, (Lern-)Erfahrungen, Persönlichkeit und Beziehungen. Während in der Vergangenheit - und teilweise auch heute noch - Hundeerziehung vor allem aus autoritärer Erziehung, (Dominanz, Unterordnung…), positiver Bestärkung (Konditionierung mit Clicker, Belohnung, Strafe und co.) oder auch einer “laissez fair” (die machen das schon unter sich aus, der Hund muss auch mal Hund sein…) Haltung bestand, weiß man heute, dass die Erziehungsform mit den meisten positiven Effekten für den zu Erziehenden die autoritative Erziehung ist. So bringen autoritativ erzogene Kinder Erwachsene bspw. hervor, die besonders emotional stabil sind, ein hohes Selbstwertgefühl haben, eine hohe soziale Kompetenz haben und eine geringe Neigung für psychische Probleme haben. Es gibt zudem Studien, die zeigen, dass Eltern mit einer sicheren Bindung zu ihrem Kind eine autoritative Erziehung einsetzen. Autoritative Erziehung heißt: Forderungen und Erwartungen an den Hund haben, die den Hund aber nicht überfordern Empathisch und hundzentriert sein auf Sorgen und Nöte achten auf den Hund als Hund eingehen und seine Bedürfnisse kennen und achten warmherzig und fürsorglich sein nachvollziehbare und auch aus Hundesicht sinnvolle und sehr klare Regeln und Grenzen aufstellen (wenn man das auf Kinder bezieht, würde man also die Regeln sinnhaft erklären können und auch die Konsequenzen erklären) auf die Einhaltung der Regeln achten und zuverlässig (konsequent) sein (nicht willkürlich sein) Selbstständigkeit innerhalb der Regeln und Grenzen zulassen Auf Vorschläge eingehen und flexibel sein. Die Regeln und Grenzen können angepasst werden, wenn es Sinn macht. Auch dann wird aber auf die Einhaltung geachtet. Auch Hunde untereinander erziehen sich übrigens vorwiegend autoritativ, da es eine sehr natürliche Form der Erziehung ist. So setzt die Mutterhündin bspw ab einem bestimmten Zeitpunkt klare Grenzen, die aber nachvollziehbar für die Welpen ist und eingehalten werden müssen. Je nach Welpe macht sie aber auch Unterschiede und berücksichtigt Charakter und Bedürfnisse ihrer Jungtiere. Um einen Hund artgerecht erziehen zu können, musst du als Hundehalterin also konsequent sein und vor allem wissen, welche Bedürfnisse dein Hund als Hund und als individuelle Persönlichkeit hat, ihn (besser) kennenlernen und seine Kommunikationssignale verstehen. Nur so kannst du auch Regeln und Grenzen aufstellen, die sinnvoll und nachvollziehbar sind. Die Bedürfnisse zu kennen, zu verstehen, zum Vorteil des Hundes für die Erziehung zu nutzen, Strukturen vorgeben und sich auf die "hündische" Art der Erziehung einzulassen bedeutet für mich also artgerechte Hundeerziehung. Wichtig ist außerdem, das ganz klar ist, wer Erzieher und wer der zu Erziehende ist. Dies hat viel mit Rollenverteilung, Verantwortung, “Vorbildsein” und auch mit sozialem Lernen zu tun. Was autoritative oder auch artgerechte Erziehung genau für deinen Hund bedeutet, hängt dann von seiner individuellen Persönlichkeit und seinen Bedürfnissen ab und das können wir gemeinsam erarbeiten. Es ist von Hund zu Hund unterschiedlich und ich kann hier keine pauschalen Tipps geben außer: sei auf jeden Fall empathisch, liebevoll konsequent und orientiere dich an den Grundpfeilern einer autoritativen Erziehung. Lies hier mehr zu meiner Philosophie.
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